ASTROLOGIE

Lassen wir es uns ein für allemal klar stellen: Astrologie hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Alle Versuche, der Astrologie einen objektiven Wert zu geben, schlagen grundsätzlich fehl. Sowohl statistische Messungen als auch Konzepte einer Synchronizität zwischen Himmel und Erde zeigen am Ende nur eins: Dass es keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit der Astrologie gibt.

Bevor wir aber die Astrologie als Hokuspokus und die Astrologen als dumme Scharlatane oder psychisch Kranke bezeichnen, sollten wir über einiges nachdenken. Denn viel wichtiger als die Frage nach der Wissenschaftlichkeit einer Deutungsmöglichkeit ist eine andere: Ist die Wissenschaft für uns Menschen der einzige Zugang zum Wahren?

Das ist keine leichte Frage. Beantwortet man sie mit einem "Ja", stellt man vor allem auch die ganze kulturelle Basis der Menschheitsgeschichte in Frage, nämlich die Religion. Und das ist nur der Anfang. Man entwertet alles, für dessen Wirkung wir noch keine wissenschaftliche Erklärung haben, wie z.B. die Homöopathie. Man entzieht der Kunst ihre größte Funktion, nämlich die Darstellung des Göttlichen - weil das Göttliche und das Schöne, genauso wie das Gute und das Wahre, aus philosophischer Sicht ein und dasselbe sind.

Astrologie ist - geschichtlich gesehen - ein Versuch des Menschen, manche Lebensprozesse auszulegen und ihre Entwicklung vorauszusehen. Das Besondere an diesem Versuch ist, dass sein Gegenstand bzw. jene Lebensprozesse rein subjektiver Natur sind. Die Astrologie wendet sich einer inneren Wirklichkeit zu. Die Astrologie beschäftigt sich nicht mit der äußeren, greifbaren Realität, sondern damit, wie das menschliche Subjekt diese äußere, greifbare Realität auf psychischer Ebene erlebt und verarbeitet. In diesem Zusammenhang ist es zu verstehen, warum das Himmelsbild der Astrologie keine astronomische Grundlage hat.

Der Himmel war kein Abbild unserer Existenz, bis wir ihn zu diesem Abbild gemacht haben. Der Tierkreis hat 12 Zeichen nicht deswegen, weil 12 Sternbilder von der Erde aus um die Erde herum zu sehen sind, sondern weil die Menschen diese 12 Bilder für die Repräsentation von 12 Lebensprinzipien gewählt haben. Astrologische Elemente (Himmelskörper, Achsen, Häuser) sind vor allem Sinnträger. Dadurch lässt es sich auch verstehen, warum verschiedene Kulturen verschiedene astrologische Lehren haben. Die astrologische Auslegung von Lebensprozessen ist - wie erwähnt - nicht auf physikalischen Himmelskörpern, sondern auf dem Sinn basiert, die wir diesen Himmelskörpern geben. Das heißt aber noch lang nicht, dass eine astrologische Deutung auf Willkür oder Beliebigkeit gegründet ist. Denn hier spielen sowohl kollektive Vorstellungen als auch Regelmäßigkeiten, die dem Leben selbst gehören, die entscheidende Rolle.

Wie sich die Astrologie gestaltet, erklärt am besten Carl Gustav Jung ist: „Sie beruht auf einer psychischen Erfahrungstatsache, die wir als Projektion bezeichnen - d.h. es sind sozusagen seelische Inhalte, die wir in den Sternenkonstellationen finden." Diese seelischen Inhalte sind als Grundmuster des menschlichen Erlebens und Verhaltens zu verstehen - Archetypen, wie Jung sie nennt. Folgt das menschliche Erleben und Verhalten präexistenten Dispositionen oder grundlegenden Leitschemen, erzeugt das Verhältnis zwischen individueller Existenz und Leitschemen eine Regelmäßigkeit, die wir wiederum auf die Regelmäßigkeit der Bewegung der Himmelskörper übertragen bzw. in dieser projektieren und im Nachhinein wiedererkennen.

Diese Projektion ist die Basis der Transite-Methode, der Direktions- und Rhythmen-Lehren der Astrologie. In einer individuellen Beratung geht die Astrologie also von archetypischen Bildern aus zu der Erfassung einer individuellen Existenz. In diesem Zusammenhang versteht sich von selbst, dass sie keinen Fatalismus erlaubt. Sie ist als Werkzeug zur Enthüllung vorhandener Möglichkeiten zu nutzen, nicht als Entziffern einer festgelegten Zukunft.

Ein guter Astrologe kann genau sagen, was für archetypische Muster in deiner Existenz nun aktiv sind und welche Phase ihres existentiellen Zyklus du nun vor dir hast. Er kann dir die Themen anzeigen, denen du dich nun zuwenden solltest. Er kann Ressourcen beschreiben, mit denen du rechnest, und auf diejenigen hinweisen, die du noch entwickeln müsstest. Dadurch weißt du, wo und wann du am besten handelst und wofür es lohnenswert ist, dich einzusetzen.

Astrologie ist - genau genommen - eine Kunst und eine Technik im Sinne des mythologischen Apollon - eine Kunst und eine Technik, die uns äußerst nützlich sind!